Die Welt ist so dermaßen klein hier.
Ich bin noch eine kleine Erklärung schuldig: Waza (Malagassy) = Wazunga (Kisuaheli) = Falang (Thai) <>Nigger (Englisch). Alles klar? Es scheint eines der ersten Worte zu sein, die die Kinder hier aufschnappen. Jedes Mal, wenn wir aus unserer Wohnung auf die Straße treten, werden wir von den einjährigen Hosenscheißern mit einem wiederholten „Bonjour Waza, Bonjour Waza, Bonjour Waza“ empfangen. Da können wir einfach nicht anders, als zurückzugrüßen mit einem herzhaften „Bonjour Neger!“
Zurück zu Andapa! Wir haben dort doch tatsächlich die Bekanntschaft mit Hitler gemacht!!! Ohne Scheiß, die Eltern hier haben die Gepflogenheit, ihren Kindern die abenteuerlichsten Namen aufzubürden. In diesem Fall haben sie sich wohl von einem Geschichtsbuch inspirieren lassen. Was mich außerordentlich wundert, da die Leute hier ansonsten meistens einen großen Bogen um Bücher aller Art machen. Andere lustige Namen sind Mars, nach seinem Geburtsmonat und für seinen kleinen Bruder, der im selben Monat geboren wurde, wurde „Im selben Monat wie Mars“ ausgesucht. Ob man damit wohl beim Einwohnermeldeamt durchkommen würde?
In der malagassischen Gesellschaft, vor allem auf dem Land, ist der Ahnenkult stark verbreitet. Es gibt zwei damit verbundene wichtige Rituale, die Beschneidung und das famadihana. Zugegeben die Beschneidung von Jungen ist nichts Außergewöhnliches, wie mir gestern Abend bewusst wurde, als die Amis vom Peace Corps mir erzählten, dass ca. 80-90% der Amerikaner beschnitten sind. Dennoch hat die malagassische Variante etwas durchaus Bizarres. Die Kinder werden die ganze Nacht zum Tanzen gezwungen, damit sie morgens so müde sind, dass sie keinen Widerstand mehr leisten können. Man muss sich das mal bildlich vorstellen, wie um vier Uhr morgens ein 5 jähriger Junge wild im Hof rumtorkelt und alle Erwachsenen drum herumstehen und ihn anfeuern. Die Spitze des Eisbergs ist jedoch, dass die Vorhaut vom Großvater, manchmal auch vom Onkel gegessen wird. Dabei wird durchaus kulinarischer Einfallsreichtum bewiesen, indem die Wurstpelle schon mal auf eine Bananenspitze gestülpt wird. Mahlzeit!!
Beim anderen wichtigen Ritual, dem famadihana, werden Uroma und Uropa wieder ausgebuddelt, ihre ausgeblichenen Knochen gewaschen und es wird ihnen was Frisches zum Anziehen gegeben. Bemerkenswert dabei ist jedoch eine damit verbundene Heiratsvorschrift. Um Inzest zu vermeiden, dürfen Menschen mit demselben Urahnen erst dann wieder untereinander heiraten, wenn die Knochen des gemeinsamen Groß-Groß-Groß-Groß-Groß-Groß-Papas anfangen, sich aufzulösen. Da dies bei den hier angewendet Balsamierungs-techniken erst nach ungefähr 200 Jahren zutrifft, ist damit gewährleistet, dass erst nach ca. 7 Generationen Menschen der gleichen Familie sich wieder lieb haben.
In der Praxis bedeutet dies natürlich, dass man sämtliche längst verblichene Familienmitglieder bis zur 7. oder 8. Generation kennt, nicht nur der direkten Linie, sondern auch die Seitenlinien. Bei durchaus nicht unrealistischen Familiengrößen von 7,8 und mehr Kindern wächst der Stammbaum exponential.
Nun ja, ich bin ja schließlich nicht mit ethnologischer Mission hier, sondern sozusagen in der Strombranche tätig. Was mir bei meiner Feldarbeit dort begegnet, lässt mich jedoch auch an Kants reiner Vernunft zweifeln. Ich habe ein Dorf besucht, das aufgrund seiner Nähe zu einem kleinen Wasserfall mir in der Lage erscheint, durch Wasserkraft elektrifiziert werden zu können. Um die Energienachfrage bestimmen zu können, habe ich Familien zu Hause besucht. Das Dorf besteht aus Stroh- oder bestenfalls Holzhütten, es gibt ein Krankenhaus, das aber außer einem festen Dach über dem Kopf nicht wirklich viel zu bieten hat und zwei Schulen, in denen sich 80-90 Kinder pro Klassenraum zwängen. Jedoch gibt es in fast jeder Familie, die ich besucht habe, einen Fernseher. Keinen Strom wohlgemerkt! Manche Familien besitzen zwar einen Dieselgenerator, der aber aufgrund der hohen Ölpreise so gut wie nie läuft. Ich bin mir auch wirklich nicht sicher, ob in diesem Dorf überhaupt Empfang für eines der TV-Programme besteht. Der Fernseher ist hier aber das Statussymbol #1. Sein Besitz ist allemal wichtiger, als den Kindern eine Ausbildung zu ermöglichen.