Endlich angekommen! Sambava im Nordosten Madagaskars ist zurzeit aufgrund der Regenzeit nur mit dem Flieger zu erreichen. Eine Insel auf der Insel sozusagen. Zwei mal die Woche fliegt Air Madagaskar über Tamatave hierhin, jedes Mal ein Riesenereignis. Viele Menschen erwarten die Maschine, die neben den Leuten auch jede Menge Güter transportiert. Von Arzneien über Gemüse bis hin zu DVD-Playern reicht die Palette. Wir wurden (mit ein wenig Verspätung) abgeholt von meinem Chef, Herr Knop, seiner Frau und der kleinen Nyana.
Nach einem recht deutschen Mittagessen mit kleinen Bratwürsten und Kartoffelpüree haben wir uns erstmal im Hotel Melrose breit gemacht, direkt am Strand gelegen mit genialster Welleneinschlafmusik. Leider hat sie ein wenig ihre Wirkung verfehlt in den ersten zwei Nächten, da es viel zu heiß war zum Einschlafen. In der zweiten Nacht haben wir zusätzlich ungebetene Gäste bekommen. Wir spekulierten darauf, dass mein Axe Deep Ocean Showergel der Übeltäter war, denn unmittelbar nach meiner Dusche kamen hunderte kleiner Insekten durch eines der Fenster gekrochen. Wir haben es wegen des zugezogenen Vorhangs leider zu spät bemerkt, sodass wir nach einem versuchten Genozid uns schließlich in die letzte Bastion des Moskitonetzes verkrochen haben.
Ja in Sachen kleiner und größerer Tierchen kommt man hier wahrlich nicht zu kurz. Bei Chez Patrick, gab’s auf Jules Sandwich ’ne kleine Fleischbeilage in Form von dutzenden Ameisen. Die erste hatte Sie ja noch tapfer ignoriert, die zweite und dritte hätte sie gerade noch ertragen, aber als aus der Bissstelle plötzlich ein ganzes Rudel Ameisen hervorquoll, hab ich sie echt nicht beneidet. Naja, wir haben dem lieben Patrick noch ne zweite Chance am Abend drauf gegeben, und wer sagt’s denn? Die Nudelsuppe und das Steak mit Pommes konnten alles. An diesem Abend kam dann plötzlich ein riesiger Einsiedlerkrebs in einem gedrehten Häuschen zu Besuch hereinspaziert. Des Weiteren muss man hier aufpassen, dass man keine bunten Chamäleons überfährt, die grade den imaginären Zebrastreifen benutzen. Ein Glück für sie, dass sie so langsam sind, dass man sie nur mit purer Boshaftigkeit treffen kann. Außerdem scheint Asphaltgrau nicht gerade in ihrem Farbenspektrum zu liegen. Heute morgen dann lag als Beifang der Fischer in der kleinen Lagune unweit unseres Hauses ein richtig großer Rochen mit Leopardenmuster. Als wir am Montag, meinem ersten Arbeitstag, einen Abstecher in die nähere Umgebung gemacht haben, und den Bruder einer Freundin Frau Knops besucht haben, der dort Landwirtschaft betreibt, konnte man dort im Fluss beinahe mit der Hand die Krabben und Krebse fangen. In den oberen Etagen der Bäume haben Riesenspinnen ihre Netze gespannt, einige Etagen tiefer bin ich beinahe auf eine kleine Schlange getreten. Es macht schon einen gewaltigen Unterschied, zu lesen, dass 80% der Arten endemisch sind, also nur hier vorkommen, und plötzlich die abgefahrensten Viecher auf sich zu fliegen zu sehen.
Der Besuch des Bauernhofs war super. Man kann sich hier mühelos durch den Wald essen. Wir haben Kakao, Vanille, Kaffee, Bananen, Papaya, Mangos, Maniok, Chili, Piement, Zuckerrohr und vieles mehr wachsen sehen. Er war auch nicht ohne Grund. Denn der werte Herr möchte sein Gehöft gerne elektrifizieren. Da es ziemlich aussichtslos erscheint, bis dort eine Oberleitung zu spannen, wird es entweder auf Solar- oder Wasserkraft hinauslaufen. Ich soll jetzt mithelfen, das Potential für die Wasserkraft herauszufinden und auszuschöpfen. Dafür hab ich mich die ersten Tage in die entsprechende Literatur vertieft. Demnächst werden wir dann Abfluss und Höhenmessungen vornehmen.
Witzig ist das Taxifahren hier. Die gesamte Taxiflotte besteht aus 30-40 Jahre alten Renault 4, die permanent die einzige Hauptstraße hoch und runterfahren. Man braucht sich nur an den Straßenrand zu stellen und schon hält jemand, egal ob besetzt oder nicht. Solange ein Platz frei ist, wird man mitgenommen. Man hat also nicht sein privates Taxi, sondern eine Art Sammeltaxi. Um’s noch entspannter zu machen, gibt’s Festpreise, 500 Ariary pro Person innerorts, das entspricht ca. 20Cent.
Ansonsten haben wir alles, was wir brauchen in walking distance. 100 Meter von uns ist ein kleiner Laden, wo’s morgens richtig gute Baguettes und Kuchen gibt, es gibt Fahrradhändler, Videostores, Fachgeschäfte für Badezimmerbedarf, man kann Rasenmäher kaufen und Spannungswechsler, Baulampen und Toaster, Schnürsenkel, Adidas Schuhe, NBA-Jerseys und Wasserfilter, Energiesparlampen, Traktoren, und Breitbildfernseher. Jule hat sogar schon einen Laden gefunden, der Nutella!! verkauft. Was braucht man mehr?