In Tirana wurden wir bereits von unseren albanischen und Münsteraner Freunden erwartet. Tirana ist noch immer so bunt wie vor 3 Jahren, wie aus Legosteinen errichtet. Wir haben dort jedoch nur eine Nacht verbracht, denn am nächsten Tag ging es bereits mit Kind und Kegel weiter Richtung Südalbanien. Zu neunt sind wir über Durres und Vlores bis nach Saranda nahe der griechischen Grenze gefahren. Die gesamte Strecke ist gesäumt von kleinen pilzförmigen Bunkern. Ungefähr 500.000 im ganzen Land zeugen von der Paranoia Enver Hoxjas, dem kommunistischen Staatspräsidenten, der sowohl mit dem Westen als auch mit dem Ostblock gebrochen hat. Lorenc erzählte mir während der Fahrt nicht ohne Stolz, dass es wohl unmöglich gewesen wäre, das Land einzunehmen, zumindest ohne gewaltige Verluste. Des Weiteren hat das Land die wahrscheinliche höchste Tankstellendichte weltweit. Auf der Autobahn von Tirana nach Durres, ca. 35 km, haben wir insgesamt 41 Tankstellen gezählt. Wahrlich effizient!
Die Strecke zwischen Vlores und Saranda dürfte wohl zu den schönsten der Welt gehören. An der Adriaküste entlang geht es über Serpentinen auf über 1000m hoch, während die Berge drumherum doppelt so hoch aufragen. Saranda selbst, unmittelbar gegenüber von Korfu gelegen, ist eine Riesenbaustelle. Auf jedes bereits existierende Hotel kommen gefühlte 5 Neubauten.
Der nächste Tag brachte uns über die Blue Eye Quelle nach Gjirokaster, einer mittelalterlichen Schieferbedeckten Stadt. Leider hatten wir recht wenig Zeit, deswegen konnten wir auch nicht das abgeschossene amerikanische Spionageflugzeug bewundern, dass demonstrativ oben auf Festungsmauer klobt.
Zurück in Tirana wurden wir wieder einmal mit gewaltigen Mengen von Fleisch, Brot, Süßspeisen und Kuchen versorgt. Ein Blick in die Runde ergab ein erschreckendes Bild. Jeder saß mit gequältem Blick und aufgeblähtem Bauch vor seinem Espresso. Jule hat die Theorie, dass Albaner Kannibalen seien. Sie mästen uns und zerren uns danach in die ganzen unterirdischen Stollen, die die gesamten Berge durchziehen. Dazu passen auch die älteren Herren an der Strandpromenade von Durres, die hinter einer handelsüblichen Personenwaage sitzen, um das Resultat des Mastprozesses zu evaluieren.
Saturday, October 31, 2009
Bunker, Tankstellen und Kannibalen
Kosovo
Der Kosovo lässt sich mit dem Nachtzug von Belgrad erreichen. Der Zug besteht aus nur 2 Waggons, es hätte ein halber gereicht. Denn wir waren in Belgrad, von einer älteren Dame abgesehen, die einzigen Passagiere, die Richtung Zvecan, dem letzten Dorf auf serbisch-dominierter Seite des Kosovo, fuhren. Was will man auch als Serbe heutzutage im Kosovo? Ein Betätigungsfeld gäbe es höchstens noch als einer der Brückenwächter in Mitrovice, die mit Gewehr bei Fuß die Häuser am nördlichen Ufer der Ibar bezogen haben, um im Falle einer albanischen Aggression den Nordteil verteidigen zu können.
Nemanja, den wir im Zug von Budapest nach Belgrad kennen lernten, wurde mit seiner Familie 1999 aus Pristina vertrieben. Sie haben dennoch profitieren können, da sie ihr Haus dort zu einem Preis deutlich über Wert verkaufen konnten. Kosovo-Albaner haben damals anscheinend jeden Preis bezahlt, um die Serben herauszubekommen. Vielen anderen ging es jedoch deutlich schlechter. Sie haben ihre Heimat verloren, ohne irgendeine Entschädigung. Dies ist jedoch nur die eine Seite der Medaille.
Die derzeitige politische Situation drückt sich relativ bizarr im Reisepass aus. Da Serbien nach wie vor das Kosovo als Bestandteil seines Staatsgebiets ansieht, gibt es bei der offiziellen Grenzüberquerung, die wir um ca. 5 Uhr morgens im Zug schlafend eh nicht mitbekommen, keinen Ausreisestempel. Es gibt auch keinen Einreisestempel auf kosovarischer Seite, da der nördliche Teil des Kosovo nicht albanisch kontrolliert wird. Die gefühlte Grenze befindet sich erst an der Brücke von Mitrovice, bis zu der wir von Zvecan mit dem Taxi gelangen. Auch hier gibt es keinen Einreisestempel, da dadurch ja von kosovarischer Seite bestätigt würde, dass zumindest der Nordteil zu Serbien gehörte. Dort stehen lediglich gelangweilte UNMIK-Patrouillen herum, die uns aber passieren lassen. Erst hier verlassen wir das serbisch dominierte Gebiet und begeben uns auf kosovo-albanisches Terrain.
In Mitrovice treffen wir Rüdiger, den Vater eines Kommilitonen. Er erzählt aus seiner langjährigen Erfahrung mit der Situation vor Ort, wie unter dem nationalistischen Regimes Milosevics in den 90ern Albaner sukzessive Opfer von Gewaltakten wurden. Nach dem Kosovokrieg 1999 lag das ganze Land in Schutt und Asche. Wenn man heute, 10 Jahre später den Kosovo bereist, kann man sich das Ausmaß der Zerstörung gar nicht vorstellen. Überall stehen neue Wohnkomplexe, es wird massiv in Neubauten und Infrastruktur investiert und die neuen Straßen sind gesäumt von Autohäusern sämtlicher Marken..
Hauptwirtschaftszweig scheint jedoch neben der Bauwirtschaft der Schrotthandel zu sein. Jede noch so fahrbare Karre, bevorzugt aus deutscher Produktion, landet früher oder später hier. Als ich 2006 Albanien bereiste, dachte ich noch, dies sei der Schrottplatz Europas. Offensichtlich haben sie dieses Prädikat an ihre östlichen Brüder übergeben.
Nach einem starken Kaffee (diesmal kein sechsfacher, sondern lediglich ein doppelter Espresso) geht’s mit dem Minibus nach Pristina und von dort weiter nach Prizren. Wir entscheiden uns dafür, nach einem kleinen Spaziergang durch die historische Altstadt, die an diesem Sonntag sehr belebt ist mit rauchenden und Espresso schlürfenden Kosovaren, die Nacht in Djakovo zu verbringen. Wie uns Halil in Mitrovice erzählte, soll von dort morgens um 5 ein Bus zur albanischen Grenze fahren, von wo aus man über die Fähre auf dem Fierze-See weiter nach Tirana kommt. Leider ist man sich diesbezüglich in Djakovo nicht ganz so sicher; weder am Busbahnhof, noch bei den Taxifahrern, noch im einzigen Hotel der Stadt. Uns bleibt nichts anderes übrig, als zu hoffen, dass sich diese Information als wahr herausstellt. Tat sie! Und so haben wir den Kosovo, nach nicht ganz 24 Stunden bereits wieder verlassen. Ohne Ausreisestempel!
Friday, October 30, 2009
Keiner lacht ohne Drogen
Eigentlich habe ich ja schon genügend Kaffee in diversen Ländern getrunken, um gegen einen solche Fauxpas gefeit zu sein, wie er sich eines bewölkten Spätvormittags auf einem schwimmenden Café auf der Sava in Belgrad zutrug.
Ich bestellte „Coffee“.
„Espresso??“
„No, cup of black coffee!“
„Big one??“ (erstauntes Gesicht des Kellners)
„Yes like a normal pot of coffee, like this...“ (die Größe einer ordentlichen Kaffeetasse imitierend)
„Dobro, Okay okay!“
Es verging eine Weile und er kam zurück mit einer ordentlichen Kaffeetasse voller schwarzer, dampfender, wohlriechender Flüssigkeit. Wie ich jedoch im nächsten Moment nippend merkte, war sie randvoll mit Espresso. Das war mal eine passende Portion Koffein. Der Inhalt dürfte so ungefähr 5-6 kleinen Espresso entsprochen haben. Nachdem ich mir meinen Drink komplett gegönnt hatte, schließlich soll man ja nichts verschwenden, merkte ich alsbald die volle Dröhung. Ruhig sitzen ging gar nicht. Ich hatte innerlich den Drang, Stöckchen zu holen, auf Bäume zu klettern oder 'ne Runde zu boxen. Kokain ist einfach total überbewertet!
Friday, October 23, 2009
Lieber Jonny Depp,
Alles Gute Sebastian
Reisen bedeutet nicht notwendigerweise, Distanzen zu überwinden. Manchmal reicht es einfach aus, dass man offen ist für Begegnungen mit den unterschiedlichsten Menschen, um das Gefühl zu haben, unterwegs zu sein. Vielen Dank Werner für deine liebenswürdige Beschränktheit.
Von München aus sind wir am Dienstag Abend mit dem Nachtzug nach Budapest gefahren. Wie jedem bekannt sein dürfte, ist das exotischste in Ungarn die Sprache. Wir kamen also nicht umhin, unser Lieblingswort zu küren. Am Schluss war es ein enges Kopf an Kopf Rennen zwischen fözötök und fözelèk Einstimmig haben wir letzteres zu unserem Favoriten erkoren. Linguistisch Begabte erkennen sicherlich die Ähnlichkeit zu einem derben deutschen Ausdruck einer ansonsten durchaus sinnlichen Tätigkeit.
Ich will euch natürlich auch nicht vorenthalten, was sich hinter diesem Ausdruck verbirgt: Kelkàposzga fözelèk ist ein ungarisches Gericht aus Kohl und Kartoffeln. Sieht relativ wiedergekäut aus und sorgte in Kombination mit meiner oben geschilderten Konnotation nicht gerade dafür, mich auf ein Festmahl zu freuen. In Kombination allerdings mit Zöldsèges Csirke und Lecsos kolbàsz entpuppte sich das ganze dann doch noch zu einer erstaunlich essbaren Sache.
In Budapest haben wir über Couch Surfing Marci und Fanni kennen gelernt, bei denen wir die Nacht verbracht haben. Marci ist Gitarrist in einer Rockband namens Ozone Mama, deren Sound ich irgendwo zwischen Danko Jones und Audioslave ansiedeln würde. Sie sind gerade dabei, ihr erstes Album abzumischen.
Ozone Mama auf Myspace
Fanni war ein wenig im Stress, weil sie für nächste Woche eine Ausstellung für ihre eigens designten Schmuckstücke organisiert. Abends jedoch war sie dabei, um Budapest unsicher zu machen.
Die beiden waren extrem hilfreich dabei, meine negative Sicht auf das Budapester Nachtleben zu relativieren. Phips und Kai können sicherlich noch ein Liedchen davon singen, von diesem sündhaft teuren Drink, zu dem uns drei nette Damen in einer kühlen Aprilnacht des Jahres 2008 verführten. Diesmal hatten Jule und ich das Vergnügen, zwei der angesagtesten Locations der Stadt kennenzulernen. Zunächst waren wir im Szimpla, einer instandbesetzten Bruchbude, mit allerlei künstlerisch wertvollem Pröll und vielen kleinen bunten Lichtern.
Anschließend sind wir ins Inztant gegangen, der dieselbe Klientel anspricht. Neben den ganzen künstlerischen Details, die es in jedem der vielen Räumen auf drei Etagen zu entdecken gab, fand ich vor allem den Bike-Stellplatz abgefahren. Besucher konnten ihren Drahtesel direkt im Club abgeben und anfangen, zu fetten Elektrosounds die Hüften kreisen zu lassen.
Beide Läden sind ein absolutes Muss für jeden Besucher Budapests, der auf avantgardistische Subkultur steht. Thumps Up!!
Monday, October 19, 2009
Eine neue Runde, ein neuer Spaß!
Die Zeit der Prüfungen und des Arbeitens sind vorbei. Endlich, nach 1 ½ Jahren kann ich endlich wieder meinen Rucksack randvoll packen, ohne dass ich mich dafür schämen muss, dass ich soviel Krams dabei habe. Diesmal ist es besonders schwierig gewesen, den Rucksack zu packen, da ich nicht nur meine gammeligen Shirts und angeranzten Jeans einpacken muss, sondern auch 'ne schicke Hose, Hemden und meine schwarzen Schuhe. Jaja, der olle Basti wird langsam seriös und mutiert zum Bürohengst. Für alle die sich jetzt fragen, "was soll denn das?" "was macht denn der?" "warum denn auch?" sei erwähnt, dass der Grund dieses Trips mein Praktikum bei der GTZ in Delhi ist. Aus meiner Mitarbeit im Projekt zur nachhaltigen Stadtentwicklung will ich dann meine Diplomarbeit zurechtschrauben. Wird ja schließlich bald mal Zeit!!
Da ja bekanntlich der Weg das Ziel ist, werden Jule und ich möglichst viele Landmassen unter unsere Hufen bringen. Leider mussten wir den ursprüngliche Plan, Indien komplett auf dem Landweg zu erreichen, aufgrund der kritischen Sicherheitslage in Pakistan verwerfen. Wir werden jetzt also kurz vor dem Iran rechts abbiegen und die Ausfahrt nach Syrien und Jordanien nehmen.
Reiseroute auf einer größeren Karte anzeigen
Apropos Syrien. Das könnte noch abenteuerlich werden. Denn wir haben es aus Zeit- und logistischen Gründen nicht mehr geschafft, uns hier in Deutschland ein Visum für Syrien ausstellen zu lassen. Beim Auswärtigen Amt heißt es jedoch, dass dies zwingend in Deutschland geschehen zu hat. Es bleibt uns jedoch nichts anderes übrig, als auf das Gegenteil zu hoffen, dass es möglich ist, ein Visum auch an der Grenze bzw. im Istanbuler Konsulat zu bekommen. Die Erfahrungsberichte im Internet sind diesbezüglich äußerst ambivalent. Vielleicht hilft ja auch einfach ein ordentliches Bakshish für solche Dienstleistungen.
So, gleich geht’s los Richtung Köln, dem Etappenziel des Prologs sozusagen, von wo ich morgen früh mit der Mitfahrgelegenheit nach München aufbreche.
Bis bald!