Nicht nur wirtschaftlich schlägt sich dieses ausgelutschte Konzept der Globalisierung in Indien nieder, nein auch (sub)kulturell holt Asien hier enorm auf. Bestes Beispiel dafür war das Iron Maiden Konzert in Bangalore am 17. März. Ob es wirklich Musikgeschichte schreiben wird, wie die Scorpions 1991 auf dem Roten Platz in Moskau oder das Liveaid-Festival von 1985 sei dahingestellt, aber für Indien war es was ganz besonderes. Zwar haben hier schon einige bekannte Bands und Interpreten gespielt, u.a. David Gilmour, der Sänger von Pink Floyd, aber im Metalbereich wird dieses Konzert das neue Nonplusultra sein für die nächste Zeit. Andere Großkaliber lassen jedoch nicht lange auf sich warten. Für den 2. April haben sich Sepultura in Mumbai angekündigt, Shakira wird dort ebenfalls demnächst ihre hips shaken und bei den anderen Big Bands wird’s nur noch eine Frage der Zeit sein. Denn der Markt ist riesig, die rich kids reißen den Merch Guys geradezu die T-Shirts und Platten vom Leib, (Iron Maiden ist immerhin auf Platz 2 der indischen Charts geklettert) das darf sich doch kein gewissenhafter Musikmanager nehmen lassen…
Zurück zum Wesentlichen. Nachdem Pranav, der (Rock-)Musikschullehrer unseres Vertrauens, die Tickets besorgt hatte, haben wir uns um Reisemöglichkeiten gekümmert und sind losgedüst. Die Hinfahrt hab ich mit Gerhard aus Mannheim verbracht, wir hatten viel Zeit uns gegenseitig
zu beschnuppern, dauerte der Zug doch geschlagene 40 Stunden. Das hat aber weniger mit der schlechten Qualität der Schienen oder der Züge zu tun als vielmehr mit der schier endlosen Weite des Landes. Da wir aber mehr als 1000km von insgesamt 2500km Schlafenderweise verbracht haben, hört sich das härter an als es wirklich war. Das einzig nervige war, dass man sich tagsüber auf dem/in der/im/bei der Flohmarkt/Fußgängerzone/Tempel/Armenspeisung wähnte. Der schmale Gang im Zug beherbergte einen nicht enden wollenden Strom an Menschen die einem Chai, Kaffee, Plastikspielzeug, Chicken Biryani, Socken, goldene Uhren, Blumen, Nüsse, Gram, Orangen, Unterhosen, Eis, Wasser, Stofftaschentücher, uvm verticken wollten. Darüber hinaus schleppten sich bizarr verformte Gestalten über den Boden, auf der Suche nach ’nem Rupee oder zwo. Manche wischen den Boden, manche wollen dir deine Flip Flops putzen, aber das härteste sind definitiv die Hijras.
Diese Transen sind unglaublich unverschämt, begrapschen einen regelrecht und werden sauer, wenn man ihnen nichts geben will. In Indien haben sie eine relativ lange Tradition, besonders im Norden. Im Hinduismus waren sie zwar verpönt und die ganze Familie war in die Schande getrieben, jedoch wurden Eunuchen von den Moghuls als Haremswächter angestellt und hatten dementsprechend ein recht hohes Ansehen. Da sich in
Indien alles irgendwie vermischt hat, haben diese Mannsweiber eine recht seltsame Stellung. Einerseits sind sie gefürchtet, da sie bei jeder Geburt oder Hochzeit auftauchen können und einen großen Geldbetrag einfordern, da sie ansonsten die Familie verfluchen. Andererseits stehen sie außerhalb der indischen Gesellschaft, fast noch unterhalb der Dalits/Parijas/Unberührbahren. Bisher kann ich aber frohen Mutes behaupten, dass sich jeglicher Fluch bei mir als Schabernack herausgestellt hat. Obwohl doch, vielleicht ist die kurzzeitige Wiederkehr meines Knatterschisses darauf zurückzuführen!?
Jedenfalls haben wir die Zugfahrt ganz gut überlebt und haben uns so richtig in die Metalszene gestürzt. Gerhard kannte von vorherigen Reisen ein paar Jungs in Bangalore und mit denen sind wir abends, nachdem wir uns nachmittags gut einen hinter die Binde geschüttet haben, in die örtliche Metalkneipe gepilgert. Das Styx war voller Headbangender, schwarzer Gestalten, die sämtliche Maiden Songs mitgrölen konnten. Wäre der Anteil an Schnurrbärten nicht so groß gewesen, hätte das auch in Gelsenkirchen oder Bradford sein können. Naja gut, die Aufmachung des Ladens ist für diese Städte vielleicht ein wenig zu fein und bedient nicht ganz das Klischee einer Metalkneipe, aber das spiegelt generell die Szene wieder. In Indien wird die Musik natürlich überwiegend von hauptsächlich in der IT-Branche beschäftigten Upperclasspeople gehört. Dementsprechend war dann auch das Verhalten auf dem Konzert. Die gut 20.000 Zuschauer waren zwar sehr enthusiastisch und haben die ganze Zeit mitgesungen, aber so richtig gemosht wurde da nicht. Auch Crowdsurfer waren komplett fehl am Platze, natürlich zu meinem äußersten Missfallen. Da hab ich mich durch die ganze Crowd gezwängt, um in den ersten Reihen abgehen zu können, und was ist? Keiner ist wild rumgejumpt! Fazit: In Indien kannste barfuss auf’n Metalkonzi gehen, ist doch auch mal was…

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