Wie Sangye: „I came here 10 years ago when I was 23. I wanted to learn Tibetan language and Philosophy and I wanted to be near the Dalai Lama.”
Die bloße Nähe des Dalai Lama ist es vielen Tibetern wert, ihre Heimat, ihre Familie und Freunde im Stich zu lassen ohne Aussicht, sie jemals wieder zu sehen. Während Chefkoch Sangye seinem Kochkurs zeigt, wie Tingmo und Kaptse, zwei tibetische Gebäckspezialitäten, gemacht werden erzählt er von seiner Flucht.
„Me and my best friend were going together. We were scared that Chinese border military sees us and shoots us. That’s why we went in very high areas, 6300m, maybe 6500m, I don’t know. Sometimes it was very cold. Three nights we slept on ice. The first night was ok. The second night was bad, it was sooo cold. And we couldn’t even make tea, because there was no firewood. But we survived and now we’re here.”
Lopsang hat diese Strapazen als siebenjähriges Kind erlebt. „My parents sent me and my brother together with my aunt to get a good education. Education in Tibet is very bad. The Chinese want to keep us stupid. They send prostitutes to Lhasa and make the whiskey cheap to make us bad people. Here in Dharmsala we get good education.”
Dieser Aussage verleiht er Nachdruck, indem er sein Handbuch über Microsoft Word packt und den Chai-Shop Richtung Computer Store verlässt.
Meine innere Uhr, die einzige, die ich diese Tage benutze, deutet mir an, ebenfalls den letzten Happen meines Aloo Paratha schleunigst zu verzehren und aufzubrechen, denn laut Sangye gibt seine Heiligkeit höchstpersönlich eine öffentliche Vorlesung. Als ich am Tempel ankomme sitzen überall Mönche und Nonnen in ihren roten Gewändern und lauschen den Worten ihres Führers, der in der Mitte der offenen Tempelhalle sitzt und über Moralphilosophie und Menschenrechte debattiert. Kurz nachdem ich ankam, ich habe den Lama noch nicht erblicken können, strömte wie aus heiterem Himmel Mönche die Treppe, neben der ich stehe, hoch. Kurzentschlossen habe ich mich in den monochromen Reigen eingereiht, in der Hoffnung irgendetwas besonders tolles zu sehen. Es ist ein elendiges Gedränge, wie es natürlich nur auf den Weg zu EINEM, ganz besonderen, Locus geschieht.
Gegen 12 Uhr löst sich die Ansammlung auf, und nachdem der Dalai Lama in seine relativ bescheidene Residenz zurückgekehrt ist, werden die Straßen McLeod Ganj’s wieder bevölkert von den geschätzten 600-800 Mönchen und Nonnen. Man sieht sie Momos am Straßenrand essen, Coca Cola im Café trinken, shoppen, oder auch die Klamotten und sich selber am nahe gelegenen Wasserfall waschen. Diese Akzeptanz weltlicher Genüsse steht ganz im Gegensatz zum Lebensstil meines neuen Freundes Baba Nakarnath. Diesen lustigen, kleinen alten Kauz hab ich am Straßenrand auf dem Weg zum Wasserfall aufgegabelt. Nach einem kurzen Hallo hat er mich zu sich hereingebeten. Mit Babas/Sadhus vertrauten Leuten dürfte jetzt eine gewisse Paradoxie nicht entgangen sein. Babas besitzen eigentlich gar nichts. Schon gar keine (ständige) Behausung. Letztendlich handelte es sich um sein Schlafgemach, dass er sich mit einigen Freunden, die einen Chai-Shop betreiben, teilt. Es ist ein typisches indisches selbst gebasteltes Hüttchen, das so idyllisch am Berghang mit Blick weit in die Ebene herein gelegen ist, dass ich sofort eingezogen wäre. Er ließ mich staunen, als er mir Fotos von sich zeigen wollte. Wie zum Teufel kommt ein Mensch, der in seinem ganzen Leben noch nie Geld besessen hat, der jeden Tag von der Hand in den Mund lebt und der seinen „Baba-Pass“ in Tempeln als Pfand hinterlegt, um sich eine Schlafdecke auszuleihen, an einen Fotoapparat??? Naja logisch halt. Er bekommt ihn geschenkt.
Ein paar Impressionen aus dem Leben eines indischen Asketen, natürlich alles visuell untermauert: „This morning Puja (Gebet)“…„also morning Puja“…„My brother“…„Temple Sednarth“…„Mountain Temple. Shiva lingam inside“...“me and my brother doing Puja”...”me smoking”...“here also smoking”...”Kashmir Temple”...”My friend Kashmir”...”me smoking”...”Street to Sednarth temple”...”Temple at night”...“All my brothers smoking”
Baba Nakarnath dürfte zigtausende Brüder haben, die kreuz und quer durch Indien wandern und Tag für Tag tonnenweise Charas konsumieren. Im Gegensatz zu den Touristen, die sich in Orten wie Manali oder Pushkar bei den Händlern eindecken, wissen sie ganz genau, wo sie nach den Pflänzchen suchen müssen. Im Zweifel haben viele Tempel ihre eigenen Gärten, wo sich der interessierte Hobbygärtner dran laben kann.
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